Kreislaufwirtschaft in der Immobilienbranche

28.02.23
Warum ist das wichtig? — Die Europäische Kommission schätzt, dass die Bauindustrie rund ein Drittel des weltweiten Abfalles erzeugt. Das ist eine unvorstellbare Menge an Abbruchschutt – Betonschutt, Holzreste, alte Fliesen und Teppiche, Stahlstücke, Fenster und mehr. Aber anders betrachtet, ist all dieser Müll auch eine Fülle von rohen Baumaterialien, die darauf warten, Gestalt anzunehmen.

Ist es möglich, ein Gebäude fast vollständig aus Abfall zu gestalten? – Wie Kreislaufwirtschaft in der Immobilienbranche funktionieren kann, zeigt das norwegische Architektenbüro MAD Arkitekter mit einem seiner letzten Projekte. Die Firma lieferte ein Gebäude, das zu 80 Prozent aus wiederverwertenden Baumaterialien besteht. 

Für MAD Arkitekter, ein 1997 in Oslo gegründetes Architektenbüro, ist das Potenzial der Wiederverwendung von Bauabfällen eine Obsession. Die Firma gestaltete z. B. seine eigenen Büros im Jahr 2021 weitgehend mit upgecycelten Materialien neu. Der Immobilienentwickler Entra wandte sich an das Unternehmen, um ein Bürogebäude aus dem Jahr 1958 zu überholen und zu erweitern. MAD sah eine Gelegenheit, die Kreislaufwirtschaft auf die nächste Stufe zu heben.

Mit insgesamt 4.300 Quadratmetern war das zu renovierende Gebäude groß genug, um ein Beispiel zu setzen. Es war aber auch klein genug, um es zu handhaben, sagt Åshild Wangensteen Bjørvik, Partnerin und CEO des Osloer Büros. Ihr Designteam bezog Materialien wie Baustahl, Fliesen, Ziegel, Holz, Verkleidungsplatten, Fenster und sogar Betonbodenplatten von den sogenannten „Spendergebäuden“ — insgesamt 25 Abrissstellen und Bauprojekten verstreut über ganz Norwegen.  

Herausforderungen für die Kreislaufwirtschaft in der Immobilienbranche

Um eine sichere Wiederverwendung von Strukturelementen zu gewährleisten, entwickelte das Team von MAD Arkitekter Partnerschaften mit lokalen Forschungsinstituten und Ingenieuren, um Stahl und Beton auf einen einwandfreien strukturellen Zustand zu testen.

Der Mieter des Gebäudes, das Coworking-franchise Spaces, war auch ein für den Erfolg ausschlaggebender Partner. Ursprünglich sollten die Innenräume dem Spaces-Designhandbuch entsprechen. Allerdings war das nicht immer machbar angesichts der unterschiedlichen Verfügbarkeit von wiederverwendeten Materialien. Doch MAD überzeugte die Marke, eine gewisse Flexibilität zuzulassen. Am Ende war Spaces so sehr in den Prozess investiert, dass es mit MAD zusammenarbeitete, um ein neues Designhandbuch speziell für wiederverwendete Gebäude zu erstellen.

Die Hürden für ein Projekt dieser Art waren vielfältig: Der Markt für wiederverwendete Materialien ist nicht gut etabliert und die Abstimmung des Bauzeitplans mit den Abrissplänen Dutzender anderer Projekte erforderte Geduld und Flexibilität. Bestimmte Elemente konnten nicht wiederverwendet werden: Gläserne Bürotrennwände konnten nicht rechtzeitig gefunden werden, und nur drei der Bodenplatten des Anbaus konnten aus Bergung hergestellt werden.

Wie Madaster hilft

Probleme dieser Art versucht Madaster aus dem Weg zu schaffen. Diese Organisation bietet mit der Madaster-Plattform, dem Gebäudematerialpass und dem Zirkularitätsindikator der Immobilienbranche Werkzeuge an, um Kreislaufwirtschaft bei Projekten zu verankern. 

Die Madaster-Plattform ermöglicht die Registrierung verbauter Materialien und Produkte. Durch die Erfassung erhält man Aufschluss über die Trennbarkeit, das gebundene CO2 und die Toxizität von Materialien und Produkten. Außerdem kann festgestellt werden, ob Materialien und Produkte wiederverwendet werden können. Denn nur durch zirkuläres Bauen können die Abfallmenge und die CO₂-Emissionen drastisch reduziert und die Klimaziele erreicht werden.

Die Madaster Gruppe startete im Jahr 2017 in den Niederlanden. Seit 2022 ist das Unternehmen auch in Österreich als sechstem Land aktiv. Aktuell sind auf der Madaster-Plattform rund 4.000 Gebäude mit über 16 Mio. m2 Fläche in Holland, Belgien, Norwegen, Deutschland, der Schweiz und Österreich erfasst.